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Samstag, 14. Juli 2012

Mit leeren Händen

Alles, was von ihm übrig blieb, war dieses eine Wort, dass er schrieb auf ein Stück Blatt.
Seine Schrift, das Wort, dass er schrieb. Es hatte nichts zu bedeuten, einfach nur ein Wort, was beiläufig erwähnt wurde. Nebenbei. Während in der Bar die Musik läuft. Während jemand eine Zigarette zieht. Jemand aufsteht und Richtung Klo geht.
Beiläufig. Unwichtig. Nebenbei. Vergessen. Dachte ich.
Seine linke Hand hielt die Zigarette, die er sich schon vor Minuten in den Mund geschoben hatte. Er machte sie nicht an. Das schien er öfter so zu machen. Wartet er, bis ich ihm seine Zigarette anmache?
Seine rechte Hand hält locker den Kulli fest. Dann schreibt er. Ein Wort. Ein einziges Wort. Sieben Buchstaben.
Ich beobachte seine Finger, seine Hände. Die stark ausgeprägten Sehnen seiner Unterarme. Seine starken Gesichtszüge. Die Lippen, die die Zigarette halten. Seine weichen langen Haare. Seine braunen Wimpern, die Augen, die jeden einzelnen Buchstaben verfolgen. Die vielen Falten um seine blauen Augen. Die schiefe Nase, vielleicht gebrochen? Er hat Grübchen um sein Mund. Verschmitzt. Lächelnd. Weich im Kantigen.
Dann sieht er mich an, schaut tief und sagt ganz ruhig ausatmend: Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Ich schau ihn an, überlege und sage fast im selbstverständlichen Ton: Nichts.
Ich mag nicht im Nebel nach einem Aal greifen.
Das denke ich nur. Ich sage es nicht. Ihm nicht.
In dem Moment beschliesse ich, ihn nie wieder zu sehen, stehe auf und gehe. Fort.
Er denkt sicher, ich gehe Zigaretten holen. Hat er nicht bemerkt, daß ich garnicht rauche? Vielleicht denkt er, ich gehe aufs Klo. Egal. Vielleicht hat er in dem Augenblick, in der Zwischenzeit, wo die Augen zufallen und wieder aufblinzeln meine Angst erkannt. Mich gesehen. In den Spiegel geguckt. Egal. Unwichtig. Ich muss gehen. Wenn ich bleibe, muss ich ihn töten. Denn sonst tut er es.
Ich drehe mich nicht um. Ich höre nur seine Stimme. Er ruft: Ich bin kein Aal.
Ich gehe. Trotzdem. Oder eben genau deswegen? Ich weiß es nicht. Egal. Ich werde es nie erfahren. Jetzt stehe ich da, genau an derselben Stelle wie damals. Als es Sommer war.
Alles, was von ihm mir geblieben ist, ist dieses Blatt. Was wollte er eigentlich mit diesem Wort sagen? Warum wollte er es unbedingt aufschreiben?
Wusste er was ich dachte oder hatte ich es doch laut gesagt? Warum lief er nicht hinterher? Wegen ihm wäre ich geblieben. Er hätte nur Bleib sagen müssen.
War ich zu voreilig? Nein. Wer will, der kommt. Also wollte er nicht höre ich mich wieder sagen. Ja genau, er wollte nicht, er wollte nur mit dem Feuer spielen aber sich nicht wirklich dran verbrennen. Nein nein, es lag an mir. Ich war es eben nicht sage ich auch noch. Als ob das eine nicht schwer genug zu tragen ist, bürde ich mir noch das andere auf. Hin- und Her. Aber was ist es denn? Nichts? Alles? Weiss? Schwarz? Grau? Nur ein kleiner Tanz auf dem Vulkan und dann Abspringen bevor der Vulkan ausbricht?

Letzten Endes ist es egal sage ich mir, scheiß drauf, bau ein Haus drauf, zerknülle das mittlerweile vergilbte Blatt und werfe es weg. Soll es doch da kaputt gehen, wo es am dünnsten ist sag ich mir wie ein Trost, der zu spät kommt.
Dann sag ich noch: Klappe zu. Affe tot.
Genau. Affe. Tot.

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