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Mittwoch, 23. September 2009

Die Dritte


Hätte ich gewußt, was mich am Hofe der Königin erwartet, als ich ankam, wäre ich nie hierher gekommen. Es waren 12. Jedes ihr unaufhörlicher Schrei nach Liebe. Jeder eine Enttäuschung, eine Wut. Eine tiefe Trauer. Ich wurde ihre Freundin, wobei sie dies nie so sah. Ihre beste Freundin war die Einsamkeit. Ich kenne keinen Menschen, der das Alleine mit sich sein so sehr allem anderen vorzieht. Und sich dennoch in der Gesellschaft anderer so wohl fühlt. Wie machte sie das? Ich bewunderte sie dafür.

Wenn man sie anschaute, sah man eine lebensfrohe, liebenswerte, fröhliche Frau, die erhobenen Hauptes durch ihr Königreich ging; gütig mit ihren Bediensteten umging, gerecht zu ihrem Volk war. Man konnte nie genau sagen, wie alt sie war. Mal verspielt wie ein Kind, mal weise wie eine Alte. Sie war so grenzenlos, in allen Lagen, zu allen Richtungen. Sie opferte sich vom Herzen für die Alten, Schwachen und die Kinder. Aber was sie wollte, nahm sie sich. Sie lebte in ihrer eigenen Welt und in dieser gab es das Wort Geduld nicht.

Das, was am Ende ihr Untergang war, war ihr sehnlichster Wunsch, ihre leidenschaftliche Sehnsucht. Besessen von der Idee der einzigen Liebe, zog sie Männer in ihren Bann, die ihr zwar intelektuell unterlegen waren, aber ihr zu Füßen lagen. Sie sahen in ihr etwas, was in ihnen brannte, ja sogar schmerzte. Sie gab ihnen Lebenskraft und Mut. Sie brauchten sie. Sie selbst wollte ihre Liebe, etwas Sicherheit und Geborgenheit, aber sie konnten es ihr nicht geben. Sie suchten wahrscheinlich dasselbe und ihre Taschen waren leer. Was sie bekam, machte sie am Ende nicht glücklich. Es machte sie zunichte. Und das, was sie kaputt macht, wollte sie zerstören.
Die große Sehnsucht nach Nähe- das Zerstören eben dieser Nähe. Sie war die Grenzgängerin zwischen zwei Welten, die nicht miteinander vereinbar sind.
Nur so fühlte sie ihre Lebendigkeit. Nur so fühlte sie die Sterblichkeit.

Die Flecken brachten mich auf die Spur zu ihrem Versteck. Was ich sah, vergaß ich nie wieder. noch immer träume ich davon. Wie Trophäen hingen die Köpfe an der Wand. Bleich, ausgeblutet. Der Ausdruck in den Gesichtern jedoch, als ob nichts passiert wäre: Von Glück erfüllt schauten sie einem direkt in die Augen. Wie friedlich sie wirkten und von Liebe erfüllt.
Der Wiener Hof Apotheker brachte ihr oft etwas in einer Flasche mit, wenn er kam. Es muss dieses Zeug gewesen sein, warum die Gesichter dieser 12 Männer kein Zeichen des Alterns zeigten.

Sie hat sie alle geliebt. Und sie hat sie gesammelt. Die Häupter ihrer Sehnsucht.

Nicht ich habe sie verraten. Es war der 13. ER war ihr überlegener. Sie durfte selbst aussuchen, wie sie sterben wird, das waren sie ihr schuldig. Es war ich, die den Brunnen zumauerte. Ich habe als Letzte in ihre Augen geschaut. Sie waren gefüllt mit bitteren Tränen. Trotz allem voller Hoffnung und Liebe. Soviel Liebe war selbst für sie zuviel.
Ich versprach ihr, daß ihre Seele eines Tages freikommt, wenn sie sich selbst vergibt. Sie lächelte wie ein Kind.
Vierhundert Jahre war sie tod...

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